Sonntag, 20. März 2011

Wie ich mit Rayos Verhalten umgehe - eine Zusammenfassung

Eine etwas längere Zusammenfassung. Ich hab's auch im WUFF Forum gepostet, wo ich seit kurzem angemeldet bin:

Bevor ich schlafen gehe, will ich noch einige Worte zu diesem leidigen Thema "Hundeaggression" verlieren. Weil es mich beschäftigt. Weil ich selbst schon lange auf der Suche nach Informationen im Web darüber war. Weil ich wissen wollte, wie andere Menschen damit umgehen, wenn ihr Hund an der Leine auszuckt und sich benimmt, als wäre er nicht er selbst. Und weil es zwar einige Tipps zu finden gibt, was man tun oder lassen sollte, aber nie oder sehr selten Erfahrungsberichte gibt, wie diese funktioniert haben oder wie man denn nun seinen Alltag lebt, will ich mal einen Beitrag dazu leisten.
Ich habe von Leuten gehört (einer Frau in der U-Bahn), dass sie einen Hund hat, mit dem sie nur um 4 Uhr früh spazieren gehen kann, weil dieser so derartig arg auf andere Hunde reagiert.

Ich habe mit einer Frau in einer Hundezone geredet, die eine wirkliche entzückende Golden Retriever Hündin hatte, die gerade sehr süß mit meinem Rüden spielte - die sehr leinenaggessiv ist. Ich konnte es fast nicht glauben - dieses süße "Mädel"?
Wir haben ein bisschen Erfahrungen ausgetauscht und ich fand es so schön, dass ich mit jemandem so offen und ehrlich darüber reden konnte. Ohne blöde Ratschläge, ohne Besserwisserei, ohne Du-musst-es-so-und-so-machen, ohne da-bist-du-aber-selber-dran-schuld.

Ich bin zu dem Schluss gekommen - es kann passieren. Und man hat daran wahrscheinlich nicht selber Schuld. Ein Hund kann (leinen)aggressiv werden bzw. unverträglich mit anderen Hunden. (Meiner ist nur an der Leine gestört, nicht im Freilauf).

Ich habe ein tolles Buch gelesen "Healing the aggressive dog" von Emma Parsons (im Original). Das Problem wird mit Clicker-Training angegangen und ich halte viel davon.
Sie ist eine Trainerin, die selbst die Erfahrung gemacht hat einen Hund zu haben der zur "Bestie" wird in Anwesenheit anderer Hunde. Und sie war vorher SEHR hundeerfahren. Hatte mehrere Hunde in Obedience ausgebildet und mit Ihnen Wettbewerbe gewonnen, hatte, glaube ich selbst auch Hunde gezüchtet etc.

Sie holte sich von einer Züchterin einen Golden Retriever mit dem sie viel vorhatte. Sie wollte mit ihm Obedience Turniere bestreiten und ihn zum Rettungshund ausbilden. Der Welpe wurde gut sozialisiert, bla bla bla - alles was man so machen sollte.
Mit 7 Monaten fing es an - der Hund vertrug andere Hunde nicht.
Es wurde mit der Zeit immer schlimmer - erst nur ein wenig, irgendwann zuckte der Hund so aus, hatte teilweise solche Panische Angst, dass sie nicht mehr in die Öffentlichkeit mit ihm konnte.

Im Buch kann man weiterlesen, wie sie es geschafft hat, diesen Hund wieder zur Normalität zu bringen. Doch sie sagt selbst, obwohl sie es gut im Griff haben, sogar bei Turnieren teilnehmen können - in Anwesenheit zahlreicher anderer Hunde - der Hund wird nie ein selbstbewusster, gelassener Hund sein, mit dem man spazieren gehen und in den Himmel starren kann.

Und das wird mein Hund, Rayo, auch nicht werden.

Doch ich hab' mich damit abgefunden - meine Methode damit umzugehen, werde ich kurz schildern.

Erstens und am wichtigsten - man lege sich eine dicke Haut zu. Es muss einem schnurz sein - was andere denken könnten, wie andere Leute schauen, ob sie einen wohl für doof oder unfähig halten, was das wohl für ein Hund ist usw. und so fort.

Man muss daran arbeiten - es gibt dafür eine Vielzahl an Methoden und man übe sie am Anfang am besten mit einem Trainer oder so. Hab ich auch gemacht - doch im Endeffekt muss man selber üben, je öfter desto besser - Trainer hin oder her.
Jetzt habe ich keine Trainerin mehr - und ich sollte öfter üben. Die Übungen sind kein Geheimnis, aber dieser Eintrag ist eh schon so lang, ich werd das jetzt hier nicht ausführen.

Man muss lernen (und es ist nicht einfach, und es funktioniert nicht auf Anhieb) Gelassenheit zu signalisieren. Es macht tatsächlich einen Unterschied, auch auf den Hund. Das heisst nicht, dass er deswegen plötzlich aufhören wird, aggressiv zu sein, aber es wird ihm dabei, zusammen mit den Übungen, helfen.

"Deine Anspannung überträgt sich durch die Leine auf den Hund" - ich habe diesen Spruch gehasst. Was soll das heissen? Dass ich dran Schuld bin? Dass ich ihn dazu bringe, so zu reagieren?! Der Grund, WARUM ich angespannt bin, IST ja sein bescheuertes Benehmen!! Sonst WÄR ich ja nicht angespannt!!!

Ich bin drüber hinweg. Es ist mir schnurz wurscht, wenn wir einem anderen Hund begegnen. Klar versuche ich den Abstand zwischen meinem und ihn zu vergrößern, indem ich einen Bogen gehe bzw. komplett auf die andere Straßenseite ausweiche - aber manchmal GEHT DAS EBEN NICHT. Es geht nicht in einer vollen U-Bahn, wenn man da friedlich steht und es steigt ein anderer Hund ein, es geht nicht in einer Unterführung, die insgesamt nur 4 m breit ist und ich kann nicht dauernd wie ein Bescheuerter in Zickzacklinien gehen. Nein, ich werd mich nicht davon fertig machen lassen, dass mein Hund irgend ein komisches, mir unerklärliches Problem hat.

Also, da kommt uns ein Hund entgegen und ich merk, ich werd nicht ausweichen können. Kein Problem. Ich ändere nicht meine Gangart, werde, wenn geht, nicht schneller oder langsamer. Ich nehme aber schon mal die Leine ein bisschen kürzer und achte gleichzeitig darauf, dass sie nicht in Spannung kommt (vorausgesetzt mein Hund geht noch immer halbwegs entspannt neben mir). Aber ich kürze die Leine auf so ca. 30 - 50 cm ab seinem Hals bzw. Brustgeschirr (am Halsband hat man aber alles viel besser unter Kontrolle).

Und dann geh ich meines Weges. Und manchmal läuft es super und mein Hund geht fröhlich weiter, manchmal schaut er nur ein bisschen rüber und lehnt sich gegen mich und manchmal, tja, machmal geht er auf 180 und schreit sich die Seele aus dem Leib. Aber ich kann damit umgehen. Ich scheiß mir deswegen nicht in die Hose und ich halt meine Nerven zusammen. Ich schrei ihn nicht an oder schrei' sonst wie wie ein Trottl herum. Schaut nur bescheuert und unfähig aus und meinem Hund hilft's auch nicht.
Ich kontrolliere meinen Gesichtsausdruck und versuch nicht böse, zornig, ängstlich oder sonst wie hilflos auszusehen - schaut nur noch doofer aus, als eh schon.
Manchmal schaff ich es sogar mich über den Lärm hinweg mit einer Person zu unterhalten, als sei nichts gewesen.

Ja und zwei Meter später ist das ganze vorbei und ich kann meinen Spaziergang fortsetzen.

Manchmal passiert das ganze jedoch blöder Weise öfter in einer Reihe (an manchen Tagen hat man so ein verdammtes Pech). Da ist es wirklich schwer sich zusammenzureissen.

Jedenfalls - mir hat dies Methode geholfen - zusammen mit den Übungen.
Wir haben immer öfter Erfolge - friedliches Passieren unbekannter Hunde - doch manchmal auch Rückschläge.

Aber ich werd meinen Hund deswegen nicht hassen und mich auch nicht. Denn wir können beide nichts dafür.
Ich werd weiter mein Bestes geben und es wird immer besser werden.